Dramatisierter Auszug aus DIE SCHWARZE KÖNIGIN 2 (3.3.2025)
Walachei, Dörfchen Bradu, Anno Domini 1444, Dezember
Im silbrigen Schein des Nachtfirmaments reihte sich Holzkreuz an Holzkreuz.
Sorins Blick ging in den klaren schwarzen Himmel, an dem die Sterne und ein schwacher Neumond aufzogen. Die Gestirne sorgten zusammen mit dem reflektierend-glitzernden Schnee für eine gute Sicht für seine Vârcolac-Augen, die für die Nacht gemacht waren.
Die drei Männer lagen in einer Kuhle hinter der stallkleinen, windschiefen Kapelle, die zu Ehren der Heiligen Jungfrau Maria errichtet worden war.
Grigore, etwa fünfunddreißig Lenze, klein und drahtig, schien unter den vielen wärmenden Lagen erdrückt zu werden.
Der breitgebaute Constantin, gerade einmal zwanzig, aber mit Erfahrung in zahlreichen Scharmützeln und im Gesicht narbengeziert, wirkte mit dem Fell hingegen wie ein furchteinflößender Bär.
„Seid leise“, wisperte Sorin.
Die vierte Nacht wachten Sorin und seine Veteranen nun über den stillen Totenacker, auf dem die drei frischen Gräber auffielen, da kein Schnee auf ihnen lag. Drei geladene, schwere Hakenbüchsen lehnten samt Stützgabeln griffbereit seitlich an der Wand des Kapellchens.
„Was sollen wir mit dem Gespenst machen, wenn wir es haben?“ Grigore rieb sich über den Bart unter der Nase, woraufhin die Eiskristalle zersprangen.
Sorins Augen hatten eine Bewegung in der Ferne ausgemacht.
Eine schlanke Gestalt in einem weißen Mantel mit großer, tiefsitzender Kapuze eilte aus dem stehen gelassenen Unterholz eines gerodeten Wäldchens. Ihr Weg führte sie schnurstracks auf den Friedhof.
Sie ging in die Knie und schlug mit der flachen Hand dreimal auf die lockere, leicht gefrorene Erde, als begehrte sie Einlass ins Grab.
Aus dem Untergrund wühlte sich die dunkelhaarige Upira in ihrem schmutzigen Leichengewand, fauchte das vermeintliche Gespenst wütend an und hob beide Arme zum wuchtigen Doppelhieb. Doch mitten in der Bewegung hielt sie inne.
Sorin überlegte fieberhaft, wo er den Geruch des Geists das letzte Mal aufgenommen hatte…
Pic: Isabeau Backhaus